Was ändert sich 2017 bei der Pflegeversicherung?

Ab 2017 gelten bei der gesetzlichen Pflegeversicherung ganz neue Regeln für die Begutachtung und Einstufung von Pflegebedürftigen. Künftig wird der Grad der Selbstständigkeit bewertet. Dabei werden geistige und psychische Beeinträchtigungen gleichwertig berücksichtigt, während es bislang vor allem um körperliche Probleme ging.



Statt der bisherigen drei Pflegestufen gibt es demnächst fünf Pflegegrade. Ganz neu ist Pflegegrad 1: Dies sind Personen mit geringen Einschränkungen der Selbstständigkeit, mit mäßigen, rein motorischen Einschränkungen etwa aufgrund von Wirbelsäulen-, Gelenkerkrankungen oder mit einer Restlähmung nach Schlaganfall. Diese werden nun erstmals Anspruch vor allem auf präventive Leistungen der Pflegeversicherung haben.
Die Experten der Akademischen Arbeitsgemeinschaft  bieten hier einen ersten wichtigen Einblick in die Neuerungen:

Rund 2,8 Millionen Menschen sind heute bereits pflegebedürftig. Müssen diese sich auf eine neue Begutachtung einstellen?

Nein. Niemand, der heute bereits pflegebedürftig ist, muss sich um eine neue Begutachtung bemühen, die Überleitung ins neue Recht geschieht automatisch nach einfachen Rechenregeln. Besonders vorteilhaft ist die Neuerung für verwirrte bzw. demenzkranke Menschen. Das Gesetz spricht hier derzeit noch von „Einschränkung der Alltagskompetenz“ (EA). Für davon betroffene Pflegebedürftige gilt 2017 ein Zweistufensprung: Aus der derzeitigen Pflegestufe 0 wird der Pflegegrad 2. Aus Pflegestufe I wird bei gleichzeitiger EA der Pflegegrad 3. Bei Pflegebedürftigen ohne Einschränkungen der Alltagskompetenz gilt nur der Sprung um eine Stufe: So wird etwa aus Pflegestufe II der Pflegegrad 3, aus Pflegstufe III wird Pflegegrad 4.

Was bedeutet das für die Leistungen der Pflegeversicherung?

Diese werden oft deutlich höher. Das gilt besonders in der bisherigen Pflegestufe 0. Als Pflegegeld erhalten die Betroffenen ab 2017 monatlich 316 Euro statt bisher 123 Euro. Alternativ dazu können auch Leistungen eines Pflegedienstes im Wert von 689 Euro monatlich abgerufen werden. Derzeit gibt’s dafür bei Stufe 0 nur 231 Euro. Nach wie vor kann man die beiden Leistungen aber auch kombinieren.

Es gibt allerdings einige Fälle, in denen den 2016 bereits Pflegebedürftigen nach dem Stufensprung zum Jahreswechsel „eigentlich“ weniger Leistungen zustünden als bisher. Doch dann greift ein Bestandsschutz: Wer 2016 bereits als pflegebedürftig anerkannt ist, wird durch die Reform also keinesfalls schlechter gestellt.

In welchen Fällen sollten Pflegebedürftige noch 2016 einen Antrag stellen?

Für Pflegebedürftige, die zu Hause oder bei ihren Angehörigen leben, ist die Sache ganz einfach: Wenn erkennbar mehr Pflege erforderlich ist, sollte man in jedem Fall noch in diesem Jahr einen Antrag auf die Pflegebedürftigkeits-Anerkennung bzw. eine Höherstufung stellen. Solche Anträge sind bis zum Jahresende jederzeit möglich. Meldungen von einem Antragstopp, die im Internet kursieren, sind unsinnig. Wichtig ist: Wer in diesem Jahr noch einen Antrag auf Anerkennung als pflegebedürftig oder Höherstufung stellt, wird in jedem Fall noch nach dem alten Recht begutachtet und eingestuft. Besonders für Personen mit beginnender Demenz lohnt sich nun ein Erstantrag.

Und worauf sollten Heimbewohner achten?

Generell greift auch für sie ein „Bestandsschutz“. Das bedeutet konkret: Wer 2016 schon in einem Pflegeheim lebt, wird 2017 für die reine Pflege (ohne die so genannten Hotelkosten) keinesfalls mehr zahlen müssen als im Dezember 2016 – selbst wenn im neuen Pflegegrad dann „eigentlich“ geringere Leistungen vorgesehen sind. Doch Achtung: Dieser Bestandsschutz gilt für diejenigen, die erst 2017 in ein Heim ziehen, nicht mehr. Wer ohnehin plant, in ein Heim zu ziehen, für den kann es sich somit lohnen, den Umzug noch 2016 vorzunehmen. Andernfalls kann die Heimpflege gerade für diejenigen, die derzeit Pflegestufe I haben, 2017 deutlich teurer werden.

Doch auch die derzeitigen Heimbewohner sollten aufpassen. Häufig drängen derzeit die Heime die Betroffenen, einen Antrag auf Höherstufung zu stellen, also beispielsweise von Pflegestufe I auf II. Wer für eine solche Höherstufung keinen Anlass sieht, sollte auch keinen Antrag stellen. Denn mit der höheren Pflegestufe steigt auch der Eigenanteil an den Pflegekosten. Beispiel: In einem Heim müssen sich die Betroffenen derzeit bei Pflegestufe I mit 450 Euro und bei Stufe II mit 700 Euro an den Pflegekosten beteiligen. In beiden Fällen würde dann 2017 ein Bestandsschutz gelten. Es würde also 2017 eine Eigenbeteiligung von maximal 450 bzw. 700 Euro gelten. Ein beträchtlicher Unterschied. Verdienen würde an einer Höherstufung nur das Heim.

Was ändert sich 2017 für pflegende Angehörige?

Einiges. So haben demnächst weit mehr Angehörige als bisher – soweit es sich um Arbeitnehmer handelt – Anspruch auf eine bis zu sechsmonatige Pflegezeit (wahlweise als Auszeit oder in Teilzeit) und auf eine bis zu 24-monatige Familienpflegezeit (nur Teilzeit). Bisher muss der Pflegebedürftige mindestens in Pflegestufe I eingruppiert sein, damit Angehörige die genannten Erleichterungen bzw. Auszeiten zustehen. Ab dem 1.1.2017 gelten die skizzierten Ansprüche dagegen für Angehörige von Pflegebedürftigen ab Pflegegrad 1, also auch für Angehörige von Personen, die derzeit Pflegestufe 0 haben.