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Thüringen erleben
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Zügig durch das Kräuterparadies

Im Thüringer Wald führt eine historische Standseilbahn mitten in die duftende Welt der Heilpflanzen.

Schon mal mit dem Zug durch einen Kräutergarten gerattert? Im Thüringer Wald geht das. Allerdings handelt es sich um einen Garten der ganz besonderen Art: Der „Thüringer Kräutergarten“, in dem wir heute unterwegs sind, besteht schließlich nicht etwa aus einer Handvoll Beeten, sondern ist eine ausgewachsene Mittelgebirgsregion im Thüringer Wald, die sich zwischen Oberweißbach und Bad Blankenburg erstreckt. Ein freundlich gewelltes Hügelland auf beiden Seiten des Flüsschens Schwarza, wo zwischen ausgedehnten Waldstücken und offenen Wiesen seit jeher eine große Vielfalt an Heilkräutern, Wald- und Wiesenfrüchten gedeiht. Durch diesen grünen Kräutergarten rund um das gemütliche Bergstädtchen Oberweißbach mit seinen schieferverkleideten Häusern und der auffallend großen Kirche zuckelt im emsigen Halbstundentakt eine freundliche rote Raupe – die Thüringer Bergbahn. 

Die ist eine richtig steile Standseilbahn und obendrein eine echte Sensation. Am Bahnhof Obstfelderschmiede, der unten im Schwarzatal liegt und damit mehr als 300 Meter tiefer als Oberweißbach, steigen wir in einen Waggon, wie wir ihn noch nie gesehen haben: eine offene Cabrio-Plattform mit Sitzbänken und Sonnenschirmen, die auf einen keilförmigen Transportwaggon montiert ist, die sogenannte Güterbühne. So klettern wir entspannt in waagerechter Position den Berg hoch, obwohl die Steigung knackige 25% beträgt. Das heißt, die 323 Höhenmeter verteilen sich auf 1,4 Kilometer Strecke. Diesen Steilhang mussten die Menschen früher zu Fuß hoch“, erzählt Bergbahnbediener Mario Ehrlich, der am Steuerpult steht und an die Zeiten von vor 100 Jahren erinnert, als auf den Höhenzügen des Schwarzatals Glas und Porzellan hergestellt wurde. 

Unten durchs Tal dampfte damals zwar schon eine richtige Eisenbahn, die Schwarzatalbahn, doch von den Bahnhöfen führte keine Straße hinauf zur Hochebene. Daher mussten die Arbeiter alles Material auf dem Rücken nach oben schleppen. Darunter litten nicht nur die Menschen, sondern bald auch die Wirtschaft; den Ortschaften drohte die Isolierung. Bis der Regierungsbaurat und Ingenieur Dr. Wolfgang Bäseler einen genialen Einfall für den Materialtransport hatte: den Bau einer Standseilbahn nach Schweizer Vorbild sowie die Konstruktion besagter Güterbühne, auf die ein ganzer Eisenbahnwaggon geschoben werden konnte, ohne dass am Steilhang die Ladung verrutschte. 1922 wurde die Thüringer Bergbahn für den Güterverkehr eingeweiht; seit 1923 dürfen auch Personen transportiert werden. Heute ist sie eine heiß geliebte Freizeitattraktion im Thüringer Wald. 18 Minuten dauert die Fahrt nach oben, wo wir an der Bergstation Lichtenhain alle aus- und umsteigen. 

Denn jetzt geht es noch ein paar Kilometer auf der sogenannten Flachstrecke weiter, in hübschen, roten Elektrotriebwagen durch ein heiteres Wiesenland. Wir sitzen im „Olitätenwagen“, einem historischen Triebwagen, der für den ungetrübten Blick in die Landschaft mit Glasdach und offenen Seiten ausgestattet ist. nd der uns mit Duftkasten und Kräuter-Memory schon mal auf das Nachmittagsprogramm einstimmt. Denn da wollen wir die Thüringer Kräuter mal ganz aus der Nähe betrachten. Vom 18. Jahrhundert an war die Region rund um Oberweißbach für ihre Olitäten bekannt. So nannte man hier die aus Kräutern hergestellten Naturarzneien und -öle, die von Händlern mit Kiepe, sogenannten „Buckelapothekern“, in ganz Europa vertrieben wurden. 

Kräuterexpertin Katharina Eichhorn, die wir in Oberweißbach treffen, trägt keine Kiepe, sondern einen modernen Funktionsrucksack, ist mit ihrem Wissen aber trotzdem die beste Begleiterin durch die Thüringer Kräuterwelt, die wir uns wünschen können. Mit ihr wandern wir ein Stück über den Oberweißbacher „Kräuterlehrpfad“. Hübsch schlängelt er sich durch blühende Wiesen und duftende Wälder; kleine Schilder mit QR-Codes verraten, was sich hinter den Heilpflanzen am Wegesrand versteckt. Katharina steuert immer noch eine große Portion ihrer eigenen Kräuterbegeisterung bei: hier, das Tüpfel-Johanniskraut, das bei Depressionen helfen kann! Dort die gemeine Schafgarbe, die einen krampflösenden Tee ergibt! Und da eine ganze Wiese voller Bärwurz! „Bärwurzblätter schmecken wie Dill“, schwärmt Katharina. „Und aus den Wurzeln kann man Schnaps brennen.“ Dann schwingt sie ihren Rucksack von den Schultern und packt auf einem Holztisch unter Ebereschen ein Kräuterpicknick aus: Bauernbrot, Ziegenfrischkäse mit Bärwurz, selbst gemachte Kräuterbutter und mit Anis und Gewürztagetes aromatisiertes Wasser. Eine köstliche Buckelapotheker- Mahlzeit – frisch zubereitet direkt aus Thüringens Kräutergarten. 

Bahnerlebnis und Kräuterduft 

Die Thüringer Bergbahn verkehrt täglich zwischen 6.30 und 20 Uhr im Halbstundentakt. Spannender Zwischenhalt: das Erlebnismuseum Maschinarium an der Bergstation Lichtenhain.thueringerbergbahn.com 

Im Fröbelhaus in Oberweißbach finden vielfältige Kräuterseminare statt. Hier lernst du etwa, wie man Gesichtscremes anrührt.kraeuterseminare-oberweißbach.de 

Mehr „natürliche“ Thüringen-Tipps: thueringen-entdecken.de 

©Bilder: Thomas Abe

©Text: Thüringen-entdecken

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